Bei der Entscheidung für eine Softshelljacke wird erfahrungsgemäß dem verwendeten Material nur wenig Aufmerksamkeit gegönnt. Bestenfalls wird im Geschäft zwischen Stoffen mit integrierter Membran und solchen ohne Membran unterschieden. Das angesagte Etikett „Softshell“ muss vorhanden sein, die Optik und der Preis machen den Rest der Kaufentscheidung aus. Wenn es aber etwas mehr sein darf, einfach weiterlesen.
Zwei Materialien, Gore Windstopper Softshell und Polartec Power Shield werden hier miteinander verglichen. Es geht nicht um Siegen oder Verlieren, sondern darum, die praxisrelevanten Unterschiede herauszuarbeiten. Auf dem Papier sind sich beide Materialien sehr ähnlich. In der Praxis aber sind sie in einigen Aspekten sehr verschieden.
Gore Windstopper Softshell
Windstopper von Gore ist schon sehr lange auf dem Markt, es ist das quintessentielle Softshellmaterial. Als Ergänzung zur wasserdichten Membran gedacht, kann es diese fast überall ersetzen. Nicht umsonst spricht man bei einer Softshelljacke von einer 90% Jacke.
Gore Windstopper ist deutlich „atmungsaktiver“ als die Regenjacke aus klassischem Gore-Tex. Es ist absolut winddicht und schützt damit perfekt vor Auskühlung. Es ist so wasserabweisend, dass man eine Regenjacke erst dann benötigt, wenn es auch Zeit für die Regenhose wird.
Es gibt unzählige Produkte aus Gore Windstopper, fast jeder Hersteller verarbeitet es. Gore selber bietet eine Vielzahl verschiedener Laminate an, von hauchdünn bis winterwarm ist alles dabei. Die Variante Gore Windstopper Softshell, von der hier die Rede sein wird, verfügt auf der Innenseite über ein dünnes Polyesterfleece.
Polartec Power Shield
Nicht ganz so lange auf dem Markt ist Power Shield von Polartec. Mit Fleece groß geworden, hat sich Polartec (vormals Malden Mills), auch langsam aber stetig auf dem Markt der Soft- und Hardshellbekleidung etabliert. Polartec Power Shield bietet (fast) die gleichen Funktionen wie Gore Windstopper. Es ist wasserabweisend und, nein nicht winddicht, sondern „nur“ windabweisend.
Polartec geht nämlich einen völlig anderen Weg. Der Aufbau von Power Shield ist ebenfalls dreilagig (Außenstoff-Membran-Futtervelours), aber Polartec verzichtet auf eine hundertprozentige Winddichtheit. 98% des Windes werden lt. Polartec abgehalten, nur 2% gelangen durch den Stoff ins Innere der Jacke. In der Praxis macht das keinen Unterschied. Selbst auf schnellen Abfahrten hat man mit Power Shield nicht das Gefühl, jetzt Zugluft auf der Haut zu verspüren.
Bei allen anderen Produkteigenschaften (Elastizität, waserabweisende Ausrüstung) ist es von Gore Windstopper Softshell kaum zu unterscheiden. Auch Power Shield ist in vielen Varianten erhältlich, bei denen die Schicht aus Polyestervelours unterschieldich dick und/oder strukturiert ist.
Power Shield und Windstopper in der Praxis, die Unterschiede
Zwei Softshelljacken von Marmot und Schöffel sind im „Testpark“ von outdoor-professionell anzufinden. Der Schöffel Windchill Hoody aus Gore Windstopper Softshell und die Marmot Kingpin aus Polartec Power Shield. Diese Jacken sind einander so ähnlich, wie es nur geht. Vom Schnitt her nahezu identisch, die gleichen Größen mit entsprechend ähnlichem Materialeinsatz, der Anwendungsbereich ist identisch. Was liegt also näher, als die unterschiedlichen Materialien miteinander zu vergleichen?Leichte Unterschiede gibt es natürlich:
- Die Schöffel ist etwas schwerer, hat aber Unterarmreißverschlüsse.
- Die Marmot ist ein wenig dicker, auf der Innenseite flauschiger.
Jetzt könnte man eigentlich glauben, dass da in der Praxis kaum ein Unterschied besteht. Dass man ganz einfach die nehmen sollte, die besser gefällt. Aber weit gefehlt, diese beiden Jacken unterscheidet einiges.
- Die eine Jacke ist wärmer als die andere.
- In einer von beiden wird es auch feuchter als in der anderen.
Die Lösung liegt im Material und seinen Eigenschaften. Gore legt Wert darauf, dass seine Produkte 100% winddicht sind. Polartec sagt, dass etwas weniger auch sinnvoll sein kann.
Da Gore Windstopper völlig winddicht ist, erlebt man auch ein bischen mehr von diesem wohlbekannten warmen und feuchten Regenjackenklima (= Man öffnet die Jacke ein wenig und schon steigt ein Schwall warmer, feuchter Luft empor). Auf der anderen Seite speichert die Jacke dadurch aber auch etwas mehr Wärme und benötigt z.B. Unterarmreißverschlüsse für bestmögliche Belüftung.
Bei Polartec Power Shield ist das etwas anders. Die von Polartec behaupteten 2% Luftdurchlässigkeit sind nämlich im Wärmehaushalt zu spüren.Es ist einfach kühler in der Jacke, obwohl sie doch aus dem etwas dickeren Material besteht. Das liegt darin begründet, dass durch den geringen Luftzug durch den Stoff nicht nur Feuchtigkeit, sondern auch zusätzlich Wärme abgeführt wird.
Gore Windstopper Softshell und Polartec Power Shield, ein Fazit
Gore Windstopper ist dicht. Feuchtigkeit wird durch die Membran abgeführt, alles andere bleibt drin. Die geschlossene Jacke hält in der Praxis wärmer, obwohl der verwendete Stoff dünner ist.
Eine Jacke aus Polartec Power Shield dagegen läßt viel mehr durch den Stoff entweichen, sowohl Feuchtigkeit als auch Wärme. Eine zusätzliche, dünne Lage ist vonnöten, um in der Wärmeleistung gleichzuziehen.
Man sieht, Softshell ist nicht immer gleich Softshell. Es lohnt sich, auch dem verwendeten Stoff seine Aufmerksamkeit zu schenken, denn er kann entscheidend für das eigene Wohlbefinden sein.
So kann jeder das für sich optimale Kleidungsstück finden.
- Gore Windstopper Softshell für den, der schnell friert.
- Polartec Power Shield für den, der stark schwitzt.
Beide Materialien und die aus ihnen gefertigten Jacken haben ihre Funktion zur Zufriedenheit erfüllt. Die feinen Unterschiede machen die Sache aber erst richtig interessant.
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Nicht ganz unerheblich sind die Unterschiede der Varianten von PowerShield.
Vom klassischen PowerShield (ohne Zusatz) ist oben wohl die Rede und ich würde den Vergleich mit Gore WS ebenso umschreiben. Obwohl ich den Temperaturunterschied noch nicht so bemerkt habe, jedoch deutlich die unterschiedliche „Atmungsaktivität“.
PowerShield O2 dagegen ist zwar vom Aufbau her verwandt, hat aber für meinen Geschmack einen deutlich kleineren Anwendungsbereich, nämlich Temperaturen unter 5° mit großer Anstrengung. Durch den hohen Flor und die gleichzeitig größere Durchlässigkeit wird es sonst schnell zu kalt oder zu warm.
Die anderen PowerShields kann ich leider noch nicht beurteilen, für mich spielt aber ein weiterer Faktor eine ebenso wichtige Rolle: Die Haptik.
PowerShield mit seiner robusten, weichen und leisen Oberfläche und seinem weichen Innenfleece ist da in jeder Hinsicht den eher lauten, empfindlichen und synthetisch anmutenden Windstoppern überlegen. Das wird durch die Wahl der Außenmaterialien Polyamid / Polyester untermauert, die für diese Eigenschaften teilweise verantwortlich sind.
Nicht ganz unterschreiben würde ich, dass die Jackenwahl erledigt ist, wenn die Entscheidung fürs Material gefallen ist.
Jedenfalls bei PowerShield fängt dann die mühsame Suche erst an. Denn es gibt so wenig Auswahl, dass schlecht geschnittene Kapuzen, zu kurze Rücken oder exotische Platzierung von Reißverschlüssen die Wahl ziemlich einschränken.
Aber das ist ein anderes Thema, das auch bei älteren Materialien wie Polartec Wind Pro oder damals Schoeller Comfort Temp schon aktuell war. Es gibt leider zu wenige, die Materialunterschiede überhaupt bemerken oder einschätzen können und sich für ein Material ohne Namen entscheiden.
Hallo Holger
Danke für Deine Ergänzungen. Softshell ist halt nicht gleich Softshell, aber das interessiert ja leider kaum jemanden.
Das mit der Passform sehe ich ähnlich, wehe wenn man etwas sucht das nicht dem Mainstream entspricht. „Urban Outdoor“ lässt grüßen.
viele Grüße
Alex