Nikon ist nicht nur im Bereich Photographie stark, sondern baut auch ganz exzellente Ferngläser. Die sind leider weitgehend unbekannt, was aber nicht an der Qualität liegt. Ein interessantes Fernglas im Sortiment ist das Aculon 7×35. Für ca. € 80,- Straßenpreis bekommt man erstaunlich viel optische Qualität.

Test Nikon Aculon 7x35

Test Nikon Aculon 7×35. Der Preis bestimmt die Qualität

Etwas Theorie, stark vereinfacht, vorab. Ein Fernglas unter € 100,- ist Geldverschwendung, weil Schrott ab Werk. So ab € 250,- kann man was brauchbares finden. Gute Qualität gibt es ab € 500,-. Klingt vielleicht überheblich, ist aber so. Das Problem bei billigen Ferngläsern ist weniger die Konstruktion, als vielmehr die Fertigung.

Präzision in der Fertigung sowie die Verwendung hochwertiger Materialien sind unabdingbar, wenn es um optische Qualität geht. Beides kostet Geld und verteuert das Endprodukt. Vor allem der Faktor Montagezeit wird gerne vergessen. Eine langsame und genaue Montage mit häufigen Qualitätskontrollen führt zu besseren Ergebnissen, so ist das nun mal. Aber Zeit kostet Geld und wenn das Endprodukt hauptsächlich billig sein muss, dann muss es eben schnell gehen. Da wird dann nicht sauber zusammengebaut, justiert und kontrolliert, aussortiert wird schon gar nicht. Als Verbraucher kann man so ein Fernglas bekommen, das funktioniert. Oder, wahrscheinlicher, auch nicht.

Was macht man jetzt, wenn man trotzdem nicht viel Geld ausgeben kann oder will? Wenn man aber ein gewisses Maß an optischer Qualität haben möchte und keinen eingefassten Flaschenboden in netter Verpackung? Wenn man ein brauchbares Fernglas möchte, das z.B.

  • im Auto oder auf dem Boot gelagert wird,
  • auf dem Fahrrad oder Motorrad transportiert wird,
  • auch mal verliehen oder
  • einem Kind/Jugendlichen in die Hand gedrückt wird?

Kurzum ein Fernglas, dessen Verlust nicht zu sehr schmerzt. Das aber voll funktionsfähig ist und, mit Abstrichen, ein gutes Bild liefert. Nun, dann kommt das Nikon Aculon 7×35 ins Spiel.

(Anmerkung: Erläuterungen zu den Fachbegriffen und technischen Daten von Ferngläsern finden sich hier und hier.)

Test Nikon Aculon A211 7x35

Test Nikon Aculon 7×35. Porro statt Dachkant

Wie passt jetzt so ein billiges Teil wie das Nikon Aculon zu dem oben gesagten? Ganz einfach, Nikon wählte eine vergleichsweise simple Konstruktion. Es gibt nämlich zwei Bauweisen für ein Fernglas, als Dachkantprisma oder als Porroprisma. Erstere ist die „moderne“ Bauweise, fast jedes Fernglas, ob billig oder teuer, ist so aufgebaut. Letztere ist die „veraltete“ Bauweise und dementsprechend selten anzutreffen. Beim Dachkantprisma wird der Strahlengang in sich gefaltet, das schafft eine schlankes Erscheinungsbild. Porroprismen sind da deutlich raumgreifender, das Fernglas wird ausladender und klobiger. Es ist die Urform des Fernglases.

Aber ein Fernglas auf Basis von Porroprismen hat einen großen Vorteil, nämlich den der einfacheren Konstruktion. Mit viel geringerem Aufwand lässt sich eine gute optische Qualität auf die Beine stellen. Porroprismen sind ideal, wenn man bei einem gegebenen Preis ein Maximum an optischer Leistung erzielen will.

Natürlich hat das Fernglas auf Porroprismenbasis auch Nachteile. So ist es bauartbedingt nur schwer abzudichten, bzw, mit Stickstoff als Beschlagschutz zu befüllen. Werbewirksame Features, die bei jeder Discounterscherbe für € 30,- vorhanden sind und gerne als unbedingt notwendig erachtet werden. Aber was nützt ein wasserdichtes, beschlagfreies Fernglas, wenn es von miserabler optischer Qualität ist? Wenn es so schlecht zentriert wurde, dass man beim längeren Durchschauen Kopfschmerzen bekommt? Eben! Dann doch lieber die unmoderne, veraltete Bauweise, aber soviel optische Qualität wie möglich fürs Geld.

Test Nikon Aculon. Strahlengang bei Porroprismen
Test Nikon Aculon. Strahlengang bei Dachkantprismen

(Grafiken: Wikipedia)

Test Nikon Aculon 7×35. Die Mechanik

Was man beim Aculon sonst so bekommt, ist relativ viel Masse und Volumen. Mit ca. 685 gr. und L/B/H 118mm/185mm/62mm ist es schon ein Brummer, verglichen z.B. mit einem kompakt gebauten Dachkantfernglas wie dem Nikon Monarch 7 8×30. Letzteres ist lt. Hersteller 250 gr. leichter und im direkten Vergleich deutlich kompakter in den Abmessungen. Übrigens ein tolles Fernglas, allerdings auch mindestens dreimal so teuer wie das Aculon.

Mechanisch macht das Aculon einen guten Eindruck. Alles, was sich bewegt – Knickbrücke, Fokussierung, Okulare – tut dies satt und spielfrei. Übrigens auch noch nach vielen Jahren des Gebrauchs. Der baugleiche Vorgänger Nikon Action 7×35, seit langem im persönlichen Gebrauch, hat dies bewiesen. Eine Verbesserung gibt es beim neuen Modell und dies war auch der Grund für die Neuanschaffung: Die Okulare sind dreifach rastend höhenverstellbar, der Durchblick kann dadurch noch angenehmer werden.

Von daher gibt es also nichts zu mäkeln. Dem Preis entsprechend wird viel Kunststoff verwendet und die Fokussierung ist ganz offensichtlich mit Hilfe von viel Fett spielfrei und satt laufend gemacht worden. Aber wenn es erwiesenermaßen über Jahre hinweg funktioniert, warum nicht?

Test Nikon Aculon 7x35. Vergleich zu Nikon Monarch 7 8x30

Test Nikon Aculon. Die Optik

Was ein Fernglas ausmacht, ist seine optische Qualität. Das Nikon Aculon 7×35 liefert hier eine ganze Menge. Absolut gesehen und in Relation zum Preis. Es ist natürlich kein richtig gutes Fernglas, kann es in seiner Preisklasse auch nicht sein. Aber durch sinnvolle Beschränkung hat es dort viel zu bieten, wo es von Nutzen ist.

Das Aculon liefert ein helles und klares Bild. Leicht warm abgestimmt ist es, aber alles im grünen Bereich. Bei normalen Lichtverhältnissen wird eine Fülle an Details gezeigt, in der Dämmerung lässt das dann rasch nach. Die große Austrittspupille von 5mm (35:7=5) kann nicht ausgleichen, was bei den optischen Elementen an Beschichtungsqualität fehlt. Die Streulichtneigung geht auch in Ordnung, sie ist ebenfalls dem Preisbereich angemessen. Für den Normalgebrauch ist das alles völlig irrelevant.

Das große Sehfeld von 163m auf 1000m gleicht die Beschränkung auf die wirklich nutzbaren, inneren 50 bis 75% des Bildfeldes aus. Knackscharf bildet das Nikon Aculon 7×35 nur im inneren 50%-Bereich ab. Bei den danach folgenden 25% macht sich die ausgeprägte Bildfeldwölbung bemerkbar sowie ein gewisser Qualitätsverlust, ganz außen geht gar nichts. Das ist nur ein unscharfer Ring.

Apropos Bildfeldwölbung. Sie ist bei diesem Fernglas, wohl auch aus Kostengründen, mehr als deutlich ausgeprägt. Der Nachteil? Bei Betrachtung von Reklametafeln und Hauswänden sieht man nicht alles gleichmäßig scharf. Man muss die äußeren Bereiche neu scharfstellen, will man ohne Fernglasschwenk auskommen. Nun, zum Glück ist die Natur dreidimensional. Da funktioniert alles in der Praxis problemlos, nur die äußersten 25% des Bildfeldes sind für die detaillierte Bildbetrachtung eben unbrauchbar. Sie helfen bei der Erfassung von lohnenswerten Objekten, ein Vorteil eines großen Sehfeldes.

Ein wichtiges Kriterium für optische Qualität sind die Farbsäume („CA“), bzw. deren Abwesenheit. Beim Nikon Aculon 7×35 sind sie in den inneren 50% des Bildfeldes fast nicht vorhanden, in den folgenden 25% werden sie sichtbar und zum Rand hin sind sie dann deutlich ausgeprägt. Damit kann man als normaler Nutzer gut leben.

Alles in allem zeigt das Nikon Aculon 7×35 eine ausgewogene optische Leistung innerhalb seiner Möglichkeiten. Das sollte man nicht vergessen, es ist eben alles relativ.

Test Nikon Aculon. Verstellbare Okulare

Test Nikon Aculon 7×35. Ein Fazit

Was bekommt man jetzt mit diesem Fernglas? Jedenfalls eine Menge Optik fürs Geld. Es ist schon erstaunlich, was Nikon bei diesem doch sehr moderaten Preis an Gegenwert liefert. Wer darüber hinwegsehen kann, dass dieses Fernglas nicht im modernen Gewand daherkommt, landet einen Treffer. Ok, es ist nicht hosentaschentauglich. Aber um diese Klasse Ferngläser geht es auch nicht. Auch nicht darum, dass man woanders sehr viel bessere Ferngläser bekommt. Mit viel Geld geht alles.

Ein Vorteil vom Nikon Aculon 7×35 ist sein Verhältnis von Preis zu Leistung. Für € 80,- ist es mehr als Klasse. Im Bereich bis € 200,- findet man sowieso wenig, das den Mehrpreis lohnt. Die optische Qualität in der Bildmitte, dort wo es zählt, ist einwandfrei. An der Mechanik gibt es ebenfalls nichts auszusetzen, der Vorgänger Action 7×35 funktioniert seit Jahren problemlos. Nikon hat sich bei diesem Fernglas auf das wesentliche beschränkt und ein sinnvolles Produkt geliefert.

Generell hat Nikon eine umfangreiche Auswahl an Ferngläsern im Sortiment. Da findet sich etwas in jedem Preisbereich und für jeden Anspruch. Leider halt alles weit unter dem Radar des Interessenten, denn aus irgendeinem Grund wird dieser Produktbereich von Nikon völlig totgeschwiegen. Das Aculon 7×35 jedenfalls lohnt sich. Man muss halt nur wissen, was man eben nicht bekommen kann für diesen Preis. Der informierte und preisbewusste Käufer kann jedenfalls bedenkenlos zuschlagen.

Wenn man mehr will, sollte man sich das Nikon Monarch 7 8×30 anschauen. Es ist für unter € 300,- zu haben und eines der wenigen, empfehlenswerten Ferngläser in diesem Preisbereich.

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