Das Swarovski Habicht 8×30 W wird seit 1949 produziert und findet immer noch Abnehmer. Wie ist es möglich, dass etwas so Veraltetes, Unmodernes, Uncooles, nicht mehr Angesagtes überhaupt noch auf dem Markt existiert? Ganz einfach: Weil das Habicht immer noch eines der besten Ferngläser ist, welches man für Geld kaufen kann.

Swarovski Habicht 8x30 W

Swarovski Habicht 8×30 W

Die Gründe dafür sind eigentlich ganz einfach: 1. Die Gesetze der Physik haben sich nicht verändert. 2. Die Fortschritte der letzten Jahrzehnte sind an diesem Fernglas nicht spurlos vorbeigegangen. Dies ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. In Wirklichkeit ist es der Schlüssel, um den Erfolg dieses Fernglases zu verstehen.

Swarovski Habicht Test: Die Physik

Wenn ein optisches Werkzeug entwickelt wird, spricht man von einer „Rechnung“. Das bedeutet, salopp gesagt, dass sich die Entwickler mit den (sehr komplexen) optischen Gesetzen der Physik herumplagen und am Ende hat man dann ein fertiges Produkt. Je besser die Entwickler, desto besser die optische Rechnung, desto besser das Endresultat.

Es gilt, die optischen Gesetze verändern sich nicht. Deswegen gibt es z.B. im Bereich der Photographie Objektive, deren Grundkonstruktion 100 Jahre alt und immer noch aktuell ist. Deswegen gibt es eben seit mehr als 60 Jahren das Habicht 8×30.

Stark weiterentwickelt haben sich bei optischen Instrumenten die Beschichtungen der Linsen. Auch Vergütungen genannt, werden sie in Dutzenden von hauchfeinen Schichten auf die einzelnen Glasoberflächen aufgetragen. Diese Vergütungen sorgen dafür, dass wir heute Ferngläser haben, die sehr kontrastreich abbilden und Farben intensiv wiedergeben.

Swarovski hat mit dem Habicht zum einen eine wirklich erstklassige Konstruktion als Ausgangsbasis. Zum anderen aber auch die modernsten Vergütungen an der Hand, ohne die heute kein Fernglas bestehen kann.

Swarovski Habicht Test: 8×30 W und EL 8×32 WB

Um das Habicht bewerten zu können, braucht es einen Vergleich. Da liegt es nahe, ein anderes Topprodukt von Swarovski zu nehmen, das EL 8×32 WB Swarovision

Swarovski EL 8x32 WB und Habicht 8x30 W

Swarovski EL 8×32 WB und Habicht 8×30 W

Das EL 8×32 WB ist in der Summe seiner Eigenschaften eines der besten Ferngläser der 8x3X-Klasse, welches man heute kaufen kann. Zudem ist es eines der wenigen Ferngläser auf dem Markt, bei dem von der Mitte bis zum Rand alles scharf ist. Es fehlt die bei Ferngläsern übliche Unschärfe am Bildrand. Diese geballte Ladung modernster Technologie kostet auch ein gutes Stück Geld, nämlich € 1930,- (UVP). (In der Realität ca. € 200,- weniger.)

Auffällig, die verschiedenen Bauarten. Verglichen mit dem schlanken EL ist das Habicht klein und gedrungen. Ein Ergebnis der Konstrukton, Dachkantprismen das eine, Porroprismen das andere. Deutliche Auswirkungen im Handling ergeben sich daraus, das El lässt sich generell leichter greifen und handhaben. Kleine Hände haben es schwer, das Habicht zu umfassen und an den Fokussierknopf zu gelangen.

Selbiger ist beim Habicht deutlich schwergängiger als beim EL und das hat mehrere Gründe.
Das EL verfügt über eine Innenfokussierung, alles bewegt sich nur innen drin. Beim Habicht dagegen bewegen sich während des Fokussierens die Okulare hin und her. Da dieses Fernglas wasserdicht und stickstoffbefüllt ist, braucht es an diesen Stellen eng tolerierte Dichtungen. Dazu noch eine geringere Übersetzung der Fokussierung, schon lässt es sich nicht mehr so schnell und leicht scharfstellen wie beim modernen EL. Dies ist alles konstruktionsbedingt und eben eine „Altlast“.

Auch ein Relikt damaliger Zeit, die Okulare. Heute sind diese mit großzügigem Austrittspupillenabstand versehen, um Brillenträgern das Leben leichter zu machen. Das EL hat üppige 20mm, beim Habicht sind es magere 12,5mm. Ein Brillenträger kann beim EL das ganze Sehfeld überblicken, beim Habicht nicht. (Apropos Sehfeld, das des Habicht beträgt 136m auf 1000m, das des EL 140m.)

Dies und der geringe Außendurchmesser der Okulare erschwert den Einblick ins Habicht auch für Nichtbrillenträger. Sie müssen dessen Okulare vor den Augen „schweben“ lassen, beim EL dagegen setzt man sie unter den Augenbrauen an oder auf den unteren Rand der Augenhöhlen. Einfachstes Ansetzen des Fernglases beim EL, sehr gewöhnungsbedürftiges beim Habicht. Ergonomisch liegen Welten zwischen diesen beiden Ferngläsern, ein halbes Jahrhundert macht sich bemerkbar. Die Notlösung für den Autor mit seinen tiefliegenden Augen: Die Zeigefinger liegen auf den Okularen und stützen sich an den Augenbrauen ab. Anders war das Habicht nicht sauber anzusetzen. So ging es, aber es gibt angenehmeres.

Ferngläser der 1950iger Jahre
Fernglaer der 1950iger Jahre sehen alle gleich ausSwarovski Habicht von 2015
Sie sehen sich sehr ähnlich,……aber das Habicht ist von 2015

Swarovski Habicht Test: Warum trotzdem ein Habicht?

Könnte man sich jetzt fragen, ganz klar. Schließlich scheint es nur Nachteile zu haben. Leider ist es nicht ganz so einfach, denn schon beim ersten Hindurchschauen durchs Habicht gab es so etwas wie einen Aha-Effekt. Das Habicht ist nämlich in der Summe seiner Eigenschaften auf einem Level mit dem EL. Hier ein bisschen weniger, dort ein bisschen mehr.

Das Weniger hatten wir schon, hier das (optische) Mehr:

  • Das Habicht ist etwas heller als das EL.
  • Das Habicht hat höheren Kontrast.
  • das Habicht bildet schärfer ab.

Das hat jetzt wirklich überrascht. Bei dem, was die Essenz eines Fernglases ist, schlägt das alte das neue. Dieses Mehr an Brillanz, Schärfe und Kontrast macht winzige Details deutlicher sichtbar. Das schon sehr hohe Niveau des EL wird nochmal getoppt.

Ein Beispiel: Der Mond. Abends um 21:30 deutlich zu sehen und mit dem Fernglas ist es immer wieder ein Genuss, ihn zu beobachten. Das ging natürlich mit beiden Gläsern gut. Aber mit dem Habicht dank des höheren Kontrastes einfacher und besser.

Beim Scharfstellen mit dem EL gab es eine „Grauzone“: Schon scharf, aber nicht sofort optimal. Man musste die maximale Schärfe einkreisen, im Pilgerschrittverfahren eingrenzen. Hin und her und hin und her, bis es stimmte. Beim Habicht war das sozusagen ein digitaler Prozess: Scharf oder unscharf, dazwischen gab es nichts. Es gelang auf Anhieb und gab keinen Zweifel, wann das Maximum an Schärfe erreicht war. Die Oberfläche des Mondes mit seinen Kratern war mit dem Habicht etwas besser in allen Einzelheiten zu erkennen.

Der Mond......durch das Fernglas gesehen
Der Mond……durch das Fernglas gesehen

[Rechtes Photo by Torsten Edelmann (wonderplanets.de) (Own work) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons]

Swarovski Habicht Test: 8×30 W, ein Fazit

Jetzt wird es wirklich schwierig. Einerseits diese gnadenlos gute Bild, das Habicht ist geradezu brutal im Detail. Andererseits diese sehr gewöhnungsbedürftige Ergonomie. Schwergängiger, langsamer Fokus, der bei Kälte übrigens richtig zäh wird. Die Okulare, bei deren veralteter Konstruktion man sich zu Recht fragt, warum sich der Mensch dem Werkzeug anpassen sollte. Das EL ist so viel angenehmer zu benutzen, man merkt die positiven Entwicklungen der letzten Jahrzehnte.

Es ist nicht einfach mit dem Habicht, dies ist wahrlich kein Fernglas für Jedermann. Die Optik begeistert, die Ergonomie lässt grausen. Man muss es ausprobieren und sich seiner Schwächen bewusst werden. Oder sich einfach entschließen, nur die Stärken zu sehen.

Jedenfalls bekommt man nirgendwo mehr Fernglas fürs Geld. Das Swarovski Habicht 8×30 W hat einen UVP von € 880,-. Man bekommt es aber schon für € 100,- weniger. Ein gutes Angebot.

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