Den richtigen Wanderschuh zu finden ist schwierig. Er sollte nicht nur passen, sondern auch für den geplanten Anwendungsbereich geeignet sein. Man braucht nicht immer für unterschiedliche Touren verschiedene Paar Schuhe, die meisten Wanderschuhe sind universell einsetzbar.
Die Unterteilung in die Schuhkategorien A-D wurde in den siebziger Jahren erstmals von A. Meindl vorgenommen und hat sich mittlerweile, in Variationen, als Standard bei Herstellern, Handel und Verbrauchern durchgesetzt.

Wanderschuhe Kategorien

Warnhinweis im Säntis

Durch diese Unterteilung wird das Angebot an Wanderschuhen sinnvoll gegliedert und übersichtlich präsentiert. Aber es lohnt sich weiterhin, vorher genau zu überlegen, was man machen will und so entsprechend auszuwählen. Denn so einfach sich diese Kategorien auch darstellen, so differenziert und kompliziert wird das Ganze bei näherer Betrachtung. Wanderschuhe, ihre Konstruktion und die daraus resultierenden (Trage-)Eigenschaften sind ein hochkomplexes Thema.
Ein Beitrag zum besseren Verständnis und Hilfe bei der Auswahl.

Wanderschuhe in Kategorien: Zum Verständnis

Diese Kategorien sind nur eine grobe Einteilung, die auf keinen Fall als verbindlich gesehen werden darf. Zu viele Variablen sind mit im Spiel

  • Es gibt keine festen Grenzen für die Kategorien. Nichts ist „genormt“.
  • Was der eine Hersteller in diese Kategorie steckt, packt der andere schon in die nächste. Da gibt es keine Normen und man sollte weniger dem Etikett als dem eigenen Gefühl trauen!
  • Es kann passieren, dass ein bezüglich des verwendeten Materials in zwei Varianten erhältliches Schuhmodell deswegen z.B. unterschiedlich steif im Schaft ausfällt und damit effektiv, aber nicht nominal, in zwei verschiedenen Kategorien vertreten ist.
  • Die individulle Konstitution. Der eine hat feste Bänder und einen sicheren Tritt im schlechten Gelände, der andere ist ganzjährig auf Asphalt unterwegs und die Sprunggelenke sind entsprechend degeneriert.
  • Des weiteren die Erfahrung draussen. Jahrelange Tourenerfahrung, egal in welchem Bereich, kann die Notwendigkeit festerer Fußbekleidung drastisch reduzieren. Übung macht auch zu Fuß den Meister.
  • Das Körpergewicht und die Zuladung.
  • Das leidige Thema der Passform, denn was nützt der „ideale“ Wanderschuh, wenn er nicht passt? Da kann es schon mal passieren, dass an den Rändern einer Kategorie bis in die nächste hinein probiert wird, um was etwas Passendes zu finden.

Wanderschuhe in Kategorien: Die Klassen

Schuhkategorien
Kategorien, nach A.MeindlSchuhkonstruktionGeländeBeispiel, nach Hersteller bzw. persönlicher Einschätzung (für Details mit der Maus auf das Bild fahren)
Abequem, weich, guter Flexgute Wege, Alltaghanwag_robin_klasse_a_photo_hanwag
A/Bgenerell etwas fester mit hohem SchaftForst- und Wirtschaftswege, Mittelgebirge, Voralpenhanwag_canyonII_lady_klasse_ab_photo_hanwag
Bstabiler Schaft, feste u. torsionssteife Sohle, evtl. Gummirand, gute Stützfunktion, Grödeltauglich: der Allroundersehr schlechte Wege in Mittelgebirgen, leichte Touren im Hochgebirge, ggb. Firnfelderhanwag_badile_gtx_klasse_b_photo_hanwag
B/Csteiferer Schaft, steifere Sohle, bedingt steigeisenfest (Y-Beriemung, Körbchen)Trekkingtouren mit viel Gepäck, Bergtouren, Klettersteigehanwag_alaska_gtx_klasse_bc_photo_hanwag
Charte, biegesteife Sohle, hoher u. fester Schaft, steigeisenfest (Kipphebel)schwere Trekking- und Hochgebirgstouren, Gletschertourenhanwag_crack_gtx_klasse_c_photo_hanwag
Dabsolut steife Sohle, harter Schaft, keine Durchbiegung bei Frontalzackeneinsatz, evtl warm gefüttertGletschertouren, Eistouren, schweres kombiniertes Geländehanwag_omega_gtx_klasse_d_photo_hanwag

Lowa unterteilt sein Sortiment vom Prinzip her gleich, benennt die Kategorien aber anders etwas anders. Der Lowa-Index geht von 1-6:

  • Lowa-Index 1 = Kategorie D
  • Lowa-Index 2 = Kategorie C
  • Lowa-Index 3 = Kategorie B
  • Lowa-Index 4 = Kategorie A/B
  • Lowa-Index 5 = Kategorie A

Bis hier waren die Dinge noch einfach, aber jetzt beginnt es kompliziert zu werden. Denn sowenig diese Kategorien genau voneinander abgegrenzt sind, so sehr variieren die Schuhe innerhalb einer Kategorie

Wanderschuhe in Kategorien: Verwendete Begriffe

Bei den rund um den Wanderschuh und den beim Kauf verwendeten Begriffen wird gerne einiges durcheinander geworfen, deshalb vorab dies zur Klärung:

  • Halbschuh, er endet unter dem Knöchel.
  • Schuh, in der traditionellen Unterteilung das Gegenstück zum Halbschuh, sein Schaft bedeckt den Knöchel. Heute auch Stiefel genannt. „Schuh“ ist auch Gattungsbegriff.
  • Halbhoch, ein verwirrender Terminus, denn jeder meint was anderes:hanwag_banks_klasse_ba_photo_hanwag der eine den Halbschuh, der andere einen mit über den Knöchel reichendem, aber doch nicht ganz so hohem Schaft.

Weiterhin ist anzumerken, das oftmals gerne das Attribut „leicht“ verwendet wird, aber „weich“ gemeint ist. Das ist ein fundamentaler Unterschied, denn diese beiden Begriffe sind nicht notwendigerweise deckungsgleich.

    hanwag_altai_gtx_klasse_bc_photo_hanwag

  • Bei nahezu identischem Gewicht kann die Konstruktion dafür sorgen, dass der Einsatzbereich völlig unterschiedlich ist. Der Hanwag Altai GTX wiegt nur 660gr. pro Stück (in Größe 7,5), das ist für seine Kategorie B/C sehr wenig und nahe dran am wesentlich weicheren Hanwag Banks, 600gr. Die gesamte Konstruktion, Leichtbau um eine steife Sohle mit starkem Gummirand herum, lässt ihn in einer ganz anderen Kategorie auftreten.
  • hanwag_tatra_lady_gtx_klasse_ba_photo_hanwag

  • Ein Gummirand wirkt sich nur geringfügig auf das Gesamtgewicht aus, versteift eine Sohle jedoch merklich. Der Hanwag Tatra hat die gleiche Sohle wie der Altai GTX, aber da ihm der ausgeprägte umlaufende Gummirand des letzteren fehlt, ist er nur Kategorie B/A-B.
  • Leder, als Obermaterial verarbeitet, ist schwerer als Nylon. Der Tatra, obwohl in der Sohle deutlich weicher, wiegt mit 750gr. pro Stück mehr als der Altai.

Man sollte immer das „Gesamtpaket Schuh“ im Auge haben, sich nicht von nackten Zahlen beeindrucken lassen und beim Kauf auch genau sagen, was man meint.
Schlussendlich haben auch hier die Anglizismen Einzug gehalten und werden gerne mit deutschen Begriffen vermischt, nicht unbedingt zur Vereinfachung des ganzen:

  • Hikingschuhe
  • Wanderstiefel
  • Trekkingstiefel
  • Bergstiefel

Definitonen könnten so aussehen: Hikingschuhe für das normale Spazierengehen und Wandern. Wanderstiefel, da geht es mit Gepäck weiter und höher hinaus. Trekkingstiefel für sehr viel mehr Gepäck (Zelt etc.) über Wochen in unwegsamem Gelände. Mit einem Bergstiefel geht es in Richtung Vertikale auf nicht mehr vorhandenen Wegen.

Wanderschuhe in Kategorien: Die Abweichungen

Wie bereits erwähnt, sind Kategorieangaben keine festen Größen. Die Passform mal beiseite gelassen, ersetzt bei der Beurteilung der Kategorie nichts die persönliche Inaugenscheinnahme des Schuhs durch den, der ihn schlussendlich auswählt. Zuviele Faktoren beeinflussen die Leistung eines Schuhs: Sohlenkonstruktion, Gummirand, Lederdicke, Polsterungen, etc.
Einige Beispiele zur Verdeutlichung:

Der Meindl Nebraska Mid GTX ist ein weicher, geschmeidig abrollender Schuh mit eher niedrigem Schaft für Wanderungen auf guten Wegen. Er ist vom Aufbau her sehr viel weicher als der Lowa Renegade Mid GTX. Dessen Monowrap Sohle ist deutlich fester als die Light Trail-Sohle des Meindl Nebraska Mid GTX und damit auch besser geeignet für schlechtere Wege. Auch im Schaft bietet der Renegade sehr viel mehr Halt. Trotzdem sind beide in dierselbe Kategorie A/B eingeordnet. Wem beide passen, der kann sich entscheiden zwischen Schuhmodellen und ihren sehr verschiedenen Charakteristika. Andererseits können zwei verschieden schwere Personen somit trotz unterschiedlicher Wanderschuhe sehr ähnliche Trageeigenschaften erfahren.

Hanwag fertigt sein Erfolgsmodell, den Banks auch in einer Ganzlederversion unter dem Namen Canyon II. Beide werden als B/A klassifiziert, sind aber dennoch sehr unterschiedlich. Bei identischer Sohle ist der Canyon aus wesentlich weicherem Leder gefertigt. lowa_trekker_wxl Dadurch rollt er weicher ab, hat einen weicheren, anschmiegsameren Schaft und völlig andere Tragecharakteristika als der Banks. Der Hanwag Canyon ist realiter eher A/B als B/A. Er kommt dem o.g. Lowa Renegade Mid GTX sehr viel näher als, wie behauptet, dem Banks.

Wenn man verschiedene Marken vergleicht, sind die Unterschiede ebenso eklatant.
Ein harter Schuh muss nicht viel mehr wiegen und ein weicherer kann durchaus etwas schwerer sein. Der Lowa Trekker, ein Schuh mit hohem Schaft und relativ geschmeidiger Sohle wird vom Hersteller mit 1700gr. pro Paar angegeben. Der Meindl Borneo Pro MFS liegt bei 1520gr. und hat eine im Vergleich sehr viel steifere Sohle und einen niedrigeren Schaft.meindl_borneo_pro Beide sind Kategorie B und tragen sich trotzdem völlig unterschiedlich.

In der B/C-Kategorie gibt es auch ein schönes Beispiel von Modellen verschiedener Hersteller mit unterschiedlichen Ausprägungen. Der Meindl Island MFS Active hat eine härtere Sohle und ein steiferes Oberleder als der Hanwag Alaska GTX, dazu noch einen höheren Schaft. Beide repräsentieren die Klasse B/C, sind im Tragegefühl aber sehr unterschiedlich.
Der Hanwag Altai GTX gilt ebenso als der Klasse B/C zugehörig, hat aber Dank des von Hanwag betriebenen Leichtbaus einen sehr weichen Schaft. Wieder etwas anderes: harte Sohle kombiniert mit weicherem Schaft, nicht vergleichbar, sondern anders.

Wanderschuhe in Kategorien: Halbschuh und Schuh

Es ist mitnichten so, dass ein Halbschuh immer weniger stabil, steif und haltgebend ist als ein Modell mit höherem Schaft (=bis über den Knöchel). Die Sohlenkonstruktion und die verwendeten Materialien haben großen Einfluss darauf, wie sich der Schuh trägt.

Beispiel:
hanwag_approach_gtx_klasse_b_photo_hanwagDer Hanwag Approach ist ein sogenannter Zustiegsschuh. Gedacht für den „Zustieg“ durch alpines Gelände bis zum Einstieg in die Kletterroute. Der Tradition des alpenländischen Haferlschuh folgend, ist dies ein Halbschuh der Kategorie B mit sehr stabiler, steifer Sohle, verstärkt durch einen umlaufenden Gummirand und robustes Obermaterial. Der Hanwag Canyon II, obwohl als Stiefel ausgeführt, ist eine sehr viel weichere Konstruktion zum Wandern auf besseren Wegen. Auch hier kann also der erste Eindruck trügen, erst wenn man den Schuh in die Hand nimmt und dann probiert, ist eine Bewertung möglich.

Was bei der praxisrelevanten Unterscheidung zwischen Halbschuh und Stiefel auf jeden Fall von Bedeutung ist, ist der egal wie weiche Schaft und seine Auswirkungen auf den Bandapparat des Sprunggelenks. Schon eine weiche Schaumstoffmanschette, wie sie z.B. der Meindl Nebraska Mid GTX hat, wirkt durch ihre leichte Stützfunktion entlastend für Bänder und Achillessehne. Wer in diesem Bereich ein wenig vorgeschädigt ist, kann sich allein durch einen weichen, hochgezogenen Schaft Unterstützung verschaffen.

Wanderschuhe in Kategorien: Der Faktor Mensch

Hier sind jetzt nicht die Füße und die Passform der Wanderschuhe gemeint, sondern der Mensch als solcher. Es ist notwendig, das man seine eigenen Fähigkeiten und Schwächen realistisch einschätzt, sonst kann man den nach objektiven Kriterien sinnvollsten Schuh gekauft haben und doch daneben liegen.

  • Ein- oder zweimal im Jahr in die Berge und sonst nur auf Asphalt, bestenfalls mal einem fein geschotterten Wirtschaftsweg unterwegs? Da sollte man vielleicht eher zu dem etwas festeren Schuh greifen.
  • Die Bänder sind nicht mehr die straffsten? Dito!
  • Schwierigkeiten, bei der Anprobe im Geschäft die dort stehende Rampe freihändig, ohne Hilfe, rauf- und runterzusteigen? Der eigenen Gesundheit zuliebe vielleicht doch der festere Schuh.

Wenn der gewählte Schuh zu schwer und steif ist, stört er und man schleppt lediglich überflüssiges Gewicht mit sich herum.
Wenn er für die Verhältnisse, ob Gelände oder Träger, zu weich und instabil ist, könnte die Tour ein jähes, ungeplantes und schmerzhaftes Ende nehmen. Das muss jeder selbst entscheiden. Hilfe von aussen kann da beim Entscheidungsprozess nur unterstützend wirken.

Wanderschuhe in Kategorien: Was tun?

Das wichtigste auch hier ist erst mal das Ausprobieren. Egal, was im Regal steht und gefällt, zuerst wird probiert. Die in Frage kommende Schuhkategorie wird so durchprobiert und dann weiter nach oben und unten Ausschau gehalten. Es kann nicht genug betont werden, dass der Wanderstiefel zwei Kriterien erfüllen muss:

  • er muss passen
  • er muss dem Einsatzbereich entsprechen

Das erreicht man nur, wenn man sich keine Schranken auferlegt. Weder persönliche, „der gefällt mir nicht“, noch externe, „da steht aber eine andere Kategorie drauf“.

Wanderschuhe in Kategorien: Fazit

Es gibt jede Menge Hilfe, Unterstützung und Informationen zum Thema „welcher Schuh ist der richtige für mich?“. Entscheiden muss letztendlich der, der ihn dann auch trägt. Auch die sehr sinnvolle Einteilung der Wanderschuhe in Kategorien ist nur eine Hilfe zur Entscheidungsfindung. Körpergefühl, gesunder Menschenverstand und realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten sind die wesentlichen Kriterien beim Schuhkauf.

Die Wahl des geeigneten Schuhwerks ist entscheidend, kein anderes Stück persönlicher Ausrüstung hat derartigen Einfluss auf das Wohlbefinden und trägt so zum Gelingen einer Tour bei.

(Alle Produktphotos: Hanwag)

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